Der Sklavenmarkt in Lagos

Letzte Änderung 20. Dezember 2025

Hinter den sonnigen Fassaden von Lagos verbirgt sich ein dunkles Kapitel der portugiesischen Geschichte. Im Jahr 1444 wurde hier der erste permanente Sklavenmarkt des modernen Europas, der Mercado de Escravos, eröffnet. Dieses Ereignis markierte den Beginn einer Ära, die den afrikanischen Kontinent entvölkern und das portugiesische Weltreich zu unermesslichem Reichtum führen sollte.

Der Sklavenmarkt

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Zollhaus des Sklavenmarktes

Lagos war der logistische Knotenpunkt, an dem die Bürokratie des Menschenhandels perfektioniert wurde. Das ehemalige Zollhaus des Sklavenmarkts dient heute als Museum und Mahnmal. Es liegt am Platz Infante Dom Henriques gegenüber der Kirche Santa Maria de Lagos.

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Die Kirche Santa Maria de Lagos am Platz Infante Dom Henriques

Der Schirmherr der Sklaverei

Infante Dom Henrique [deutsch: Prinz Heinrich] war der vierte Sohn von König Johann I. von Portugal und der englischen Prinzessin Philippa von Lancaster. Im deutschsprachigen Raum ist er besser bekannt als Heinrich der Seefahrer (1394-1460) Obwohl er entgegen seinem Beinamen selbst nie auf große Entdeckungsreisen ging, gilt er als der entscheidende Initiator und Förderer der portugiesischen Expansion in Übersee. Vor allem aber gilt er als Begründer und Schirmherr des transatlantischen Sklavenhandels. Die von ihm entsandten Schiffe brachten die ersten afrikanischen Sklaven nach Europa und er besaß ein Monopol auf diesen Handel, um seine teuren Expeditionen zu finanzieren.

Unter der Herrschaft von Heinrich dem Seefahrer wurde die Karavelle entwickelt. Aufgrund ihrer Segelform war dieser Schiffstyp in der Lage, gegen den Wind zu kreuzen. Dadurch wurden Erkundungsfahrten entlang der afrikanischen Küste erst möglich. Aufgrund ihrer Bauweise eigneten sich Karavellen besonders gut für Entdeckungsreisen. Sie besaßen einen oder zwei Masten und dreieckige Segel, hatten jedoch nur eine begrenzte Ladekapazität. Als die Entdeckungsreisen Brasilien und Indien erreichten, bauten die portugiesischen Werften jedoch immer größere Schiffe. Ursprünglich dienten sie dem Handel mit Gold und der Suche nach einem Seeweg nach Indien.

Die Erkenntnis, dass „Menschen als Ware” profitabel sein könnten, änderte die Dynamik der Expansion schlagartig. Die ersten Sklaven, die Mitte des 15. Jahrhunderts nach Lagos verschifft wurden, reisten auf Karavellen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab es dann Schiffe mit drei oder vier Masten und Rundsegeln, die enorme Lasten und Hunderte von Passagieren befördern konnten. Die Entstehung europäischer Kolonien in Amerika führte zur Entwicklung des transatlantischen Sklavenhandels. Im 17. Jahrhundert wurden afrikanische Sklaven auf Sklavenschiffen nach Amerika transportiert. Unter entsetzlichen Bedingungen wurden Hunderte von Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht.

Caravellen
Modelle von Karavellen aus dem Museum Forte Ponta da Bandeira
© Georges Jansoone – 24. 9. 2006 – Quelle: Wikimedia Commos File:Lagos42.jpg – Ausschnitt 16:9 – GNU-Lizenz für freie Dokumentation

Chronisten wie Gomes Eanes de Azurara (1410–1474) hielten fest, wie die erste große Schiffsladung mit über 200 gefangenen Afrikanern in Lagos eintraf. Die Szenen waren herzzerreißend: Familien wurden gewaltsam getrennt, während die portugiesische Krone einen Anteil von 20 Prozent, den sogenannten Quinto Real, am Verkaufserlös beanspruchte.

Sklaven als globale Währung

Für Portugal war der Sklavenhandel kein bloßes Nebenprodukt der Entdeckungsreisen, sondern er wurde zum ökonomischen Rückgrat des Reiches. Zunächst wurden Sklaven auf den neu entdeckten Atlantikinseln Madeira und den Azoren eingesetzt, um die dortigen Zuckerrohrplantagen zu bewirtschaften. Sklaven wurden so zu einer globalen Währung, die gegen Gold, Elfenbein und Gewürze getauscht wurden. Mit der Kolonialisierung Brasiliens im 16. Jahrhundert erreichte der Handel eine industrielle Dimension. Portugal dominierte den transatlantischen Sklavenhandel über Jahrhunderte hinweg. Schätzungen zufolge wurden fast 40 Prozent aller über den Atlantik deportierten Menschen auf portugiesischen Schiffen transportiert.

Versklavung im Namen Gottes

Die Rolle der katholischen Kirche im frühen portugiesischen Sklavenhandel war fundamental. Sie fungierte dabei nicht nur als moralische Instanz, sondern lieferte auch die rechtliche und theologische Legitimation. Ohne diese wäre die Expansion Heinrichs des Seefahrers und seiner Nachfolger kaum denkbar gewesen.

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Igreja de Santa Maria de Lagos (Baubeginn 1498)

Mit der im Jahr 1452 erlassenen päpstlichen Bulle Dum Diversas erlaubte Papst Nikolaus V. den Portugiesen, Muslime, Heiden und andere „Feinde Christi” zu besiegen, ihr Land zu erobern und sie in ewige Knechtschaft zu führen. In der Bulle Romanus Pontifex bekräftigte derselbe Papst im Jahr 1455 das portugiesische Monopol auf den Handel und die Eroberung entlang der afrikanischen Küste. Er lobte Heinrich den Seefahrer ausdrücklich für dessen Bemühungen, den christlichen Glauben zu verbreiten – auch durch Versklavung.

Im Gegenzug schickten die portugiesischen Könige regelmäßig prunkvolle Geschenke an die Päpste, um sich deren politische Unterstützung zu sichern. Unter diesen Geschenken befanden sich Gold, exotische Tiere und versklavte Menschen, die dann am päpstlichen Hof oder in den Haushalten hoher Kirchenfürsten dienten.

Neben dem Adel war die Kirche der größte Profiteur des Sklavenhandels. Auf alle Handelsgüter, einschließlich der „Ware Mensch”, wurde der kirchliche Zehnt erhoben. Als Großmeister des Christusordens beteiligte Heinrich der Seefahrer den Orden an den Erträgen der neuen Handelsmonopole auf Gold, Elfenbein und eben auch auf versklavte Menschen.

Viele religiöse Orden, darunter die Jesuiten, Dominikaner und Benediktiner, waren selbst aktive Sklavenhalter, für die auf Plantagen und in Missionen Zwangsarbeit verrichtet werden musste. Es ist dokumentiert, dass der Jesuitenorden eigene Schiffe unterhielt, um Sklaven zu transportieren. Schätzungen zufolge besaß er zeitweise weltweit über 20.000 Sklaven.

Das Museum Rota da Escravatura

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Museum Rota da Escravatura

Das Museum Rota da Escravatura [deutsch: Route der Versklavung] befindet sich an dem historischen Ort, an dem 1444 unter Heinrich dem Seefahrer der erste große Sklavenmarkt Europas stattfand. Es dokumentiert eindringlich die Anfänge des transatlantischen Sklavenhandels und Portugals zentrale Rolle darin.

In den Räumen des ehemaligen Zollhauses werden archäologische Funde, Ketten und historische Dokumente präsentiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Aufarbeitung des menschlichen Leids: Die 2009 entdeckten Massengräber versklavter Menschen verdeutlichen die Grausamkeit des Systems.

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Haupteingang ins Museum

Das Museum ist heute ein wichtiger Ort der Erinnerung, der die ökonomischen Motive und die moralischen Abgründe dieser Ära schonungslos beleuchtet. Es erinnert daran, dass der Aufstieg Portugals zur Weltmacht untrennbar mit dem Leid von Millionen Verschleppten verbunden war. Der Reichtum, der die prächtigen Kirchen, Klöster und Paläste in Lissabon finanzierte, wurzelte in der systematischen Entmenschlichung, die in den schmalen Gassen von Lagos ihren Anfang nahm.

Heute schlägt die Geschichte zurück, indem die multinationalen Agrarkonzerne die finanziellen Gewinne aus der Ausbeutung der Natur aus dem Land abziehen und ein Heer von zehntausenden Arbeitsmigranten aus aller Welt ins Land holen. Eine moderne Form der Sklaverei. Profiteure sind nach wie vor die portugiesischen Großgrundbesitzer, die Rolle der Kirche haben inzwischen die nationalen und europäischen politischen Oligarchien übernommen. Die eigentlichen Geldmacher aber sind die globalen Konzerne und ihre Aktionäre.

Die Burg von Lagos

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Die Burg von Lagos, das Castelo de Lagos, ist ein markantes Festungswerk, dessen Ursprünge bis in die römische Zeit und die maurische Herrschaft zurückreichen. Ihre heutige Gestalt erhielt die Burg maßgeblich im 16. Jahrhundert, als Lagos zur Hauptstadt der Algarve wurde und Schutz vor Piratenangriffen benötigte.

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Porta de São Gonçalo – Das Osttor der Stadtmauer

Die Festung umschließt den historischen Stadtkern und ist eng mit der Ära der Entdeckungen verbunden. Von hier aus überblickten die Gouverneure den Hafen, in dem die Karavellen Heinrichs des Seefahrers anlegten. Die gut erhaltenen Wehrmauern und Türme sind heute ein Wahrzeichen für die bewegte maritime Geschichte Portugals.

Im Gang durch das Festungstor des heiligen Gonçalo befindet sich ein kleiner Wandaltar zu seinen Ehren.

Das Fort Ponta da Bandeira

Das Fort Ponta da Bandeira ist ein markantes Wahrzeichen von Lagos. Es wurde am Ende des 17. Jahrhunderts erbaut, um den Hafen und die Mündung des Flusses Bensafrim vor Angriffen von Piraten und der spanischen Flotte zu schützen. Zu dieser Zeit war Lagos ein strategisches Zentrum der portugiesischen Seefahrt, weshalb eine robuste Verteidigungsanlage unumgänglich war.

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Die Architektur der Festung ist funktional und wehrhaft: Ihr quadratischer Grundriss wird durch dicke Mauern und markante Wachtürme an den Ecken ergänzt. Der Zugang erfolgt über eine hölzerne Zugbrücke, die einen tiefen Graben überquert – ein klassisches Element der Militärarchitektur jener Zeit.

In der Festung verbirgt sich ein besonderes Juwel: eine kleine Kapelle, die der Heiligen Barbara gewidmet ist und vollständig mit traditionellen blau-weißen Azulejos ausgekleidet ist.

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Kapelle der Heiligen Barbara

Alljährlich am 29. August ist das Fort Schauplatz des traditionellen Festa do Banho 29, eines nächtlichen Badfestes, das tief in der lokalen Folklore verwurzelt ist. Es erinnert an die alte Pilgerfahrt der Bauern zu den Stränden, bei der sie sich nur einmal badeten, was laut Volksmund 29 Bädern entsprach. Daher baden die Teilnehmer üblicherweise in historischen Trachten. Eine Volkstradition besagt, dass am 29. August der Teufel sein Unwesen trieb und ein Bad im Meer die Seelen der Bewohner des Landesinneren reinigen sollte, die an diesem Tag von ihren Dörfern zur Küste reisten. Die Ursprünge dieser Tradition sind unbekannt, doch möglicherweise handelt es sich um die Überreste eines islamischen Rituals aus der Zeit, als die Algarve unter muslimischer Herrschaft stand.

Heute dient das Fort als Kulturzentrum, das Ausstellungen zur Ära der Entdeckungen beherbergt und Besuchern einen spektakulären Panoramablick über die Bucht von Lagos bietet.

Die Bronzestatue des São Gonçalo

São Gonçalo de Lagos (ca. 1360–1422) wurde als Sohn einer Fischerfamilie in Lagos geboren. Er war ein portugiesischer Augustinermönch, Priester und Theologe und ist der Schutzpatron der Stadt Lagos.

Unter Fischern ist er für das „Wunder der Vermehrung der Thunfische” bekannt. Der Legende nach hat er die Stadt bei einer großen Hungersnot gerettet.

Als den Fischern keine Fische mehr ins Netz gingen und es in der ganzen Stadt nur noch einen einzigen Thunfisch gab, soll er die Menschen zu sich gerufen haben. Er holte einen Fisch nach dem anderen aus dem Fass, in dem sich der einzige Thunfisch befand, und verteilte sie an die Hungrigen. Das Fass wurde nicht leer, bis alle etwas zu essen hatten.

Interessanterweise ist Lagos der einzige Ort in Portugal, an dem nicht der Heilige Petrus, sondern São Gonçalo als oberster Schutzherr der Fischer gilt.

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Bronzestatue des São Gonçalo

Die Bronzestatue des São Gonçalo, geschaffen vom Bildhauer Tolentino Abegoaria, wurde im Jahr 2001 mithilfe öffentlicher Spenden auf einem Aussichtspunkt mit Blick auf den Strand Praia da Batata errichtet. Mit einem Kreuz und einem Buch in den Händen blickt er auf den Hafen und segnet symbolisch die ausfahrenden Fischer und Seeleute.