Geschichte des St Michael’s Mount

Letzte Änderung 30. Juli 2023

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Mit einer Höhe von 50 Metern über dem Meeresspiegel erhebt sich St Michael’s Mount, eine kleine felsige Gezeiteninsel, vor Marazion aus dem Mount’s Bay. Auf den ersten Blick erinnert sie an Skellig Michael, jedoch weniger gewaltig und nicht so steil. Anders als der antike Klosterfelsen vor der Westküste Irlands, hat diese Insel ihre ursprüngliche Wildheit schon vor langer Zeit verloren. Sie wurde kultiviert im Laufe der Jahrtausende, war Zuflucht, Handelsplatz, Kloster, Pilgerort, Festung, Schloss und ist heute eine Attraktion des Massentourismus. Man hatte sie geschützt durch eine Flutmauer, dahinter ein Dorf mit einem geschützten Hafen angelegt und ein Kloster mit einer Kirche auf ihrer höchsten Erhebung errichtet.

Nur seine kornische Bezeichnung Karrek Loos y’n Koos, der graue Fels im Wald, erinnert noch an seine einstmalige Natürlichkeit. Bis etwa 2000 v. Chr. war der felsige Hügel von einem sumpfigen Wald umgeben. Dann wurde die Bucht vom Meer überflutet und der Berg wurde zur Gezeiteninsel. Karrek enthält die indogermanische Wurzel Kar- und ist verwandt mit den englischen Wörtern rock (Fels) oder gorge (Schlucht) sowie mit den deutschen Wörtern Kar (laut Duden: Mulde oder Kessel zwischen Steilwänden im Hochgebirge) und Karling. Die Sprachwurzel Kar- ist in weiteren Namen der heiligen Orte auf der Achse des Lichts wiederzufinden.

Bei Ebbe kann man von Marazion zu Fuß über einen Damm bis zur Insel gelangen. Bei Flut gibt es für die Besucher einen Pendelverkehr mit Fährbooten.

Frühe Besiedelungen

Aufgrund von Feuersteinfunden geht man davon aus, dass der Hügel bereits während der Mittelsteinzeit (8000 – 3500 v. Chr.) besiedelt war. Auch wenn man aus der Neusteinzeit (4000 – 2500 v. Chr.) nichts gefunden hat, dürften Menschen dort gelebt haben. Die felsige Erhöhung im Sumpf, nahe gelegen am Festland, bot Festigkeit für eine Siedlung und ließ sich leicht verteidigen. Die jüngsten Entdeckungen von Artefakten aus der späten Bronzezeit (2000 – 800 v. Chr.) deuten darauf hin, dass sich die Insel bis dahin bereits zu einem Handelszentrum entwickelt hatte. 1998 wurden bei der Installation eines neuen Kanalrohres sechs Plattformen für Rundhäuser ausgegraben, wie sie in der frühen Eisenzeit (800-400 v. Chr.) in Cornwall üblich waren. Ihre Standorte lagen überraschend nahe beieinander, was darauf hindeuten könnte, dass sie zu einer größeren Siedlung gehörten.

Handelsplatz

Der griechische Historiker Diodorus Siculus hatte im ersten Jahrhundert v. Chr. die Bibliotheca historica unter Verwendung vieler früherer Quellen zusammengestellt. In seinem fünften Buch berichtet er im Detail darüber, wie im vierten Jahrhundert v. Chr. Zinn im alten Großbritannien abgebaut, bei Ebbe auf eine Gezeiteninsel namens Ictis transportiert, dort von Händlern erworben und auf Schiffe verladen wurde. Weiter beschreibt er die Überfahrt des Frachters Pytheas nach Gallien, dessen Ladung Zinn weitere 30 Tage lang über Land zur Rhonemündung transportiert wurde. In der jüngeren Vergangenheit ist viel über die Identität von Ictis diskutiert worden. Waren damit möglicherweise die Isles of Scilly oder die Isle of Wight gemeint? Nach allen Abwägungen ist St. Michael’s Mount heute der wahrscheinlichste Kandidat. Mit großer Sicherheit befand sich dort der erste und zugleich wichtigste Hafen von Cornwall während der römisch-britischen Zeit. Newlyn und Penzance waren damals noch unbedeutend. Lediglich in Mousehole gab es schon früh eine ähnlich geschützte Hafenanlage.

Kloster

Der Michaelskult wurde nachweislich von irischen Mönchen ab dem siebten Jahrhundert in England und Wales verbreitet. The Saints, eine legendäre Gruppe von exzentrischen und zuweilen streitsüchtigen Mönchen, hinterließen unübersehbare Spuren in Cornwalls Ortsnamen. Man sagt, dass es dort mehr Heilige als im Himmel gäbe. Ohne Zweifel müssen sie die markante Gezeiteninsel in der Bucht als einen ihrer ersten Standorte ausgewählt haben. Einer Legende nach soll im Jahr 495 der Erzengel Michael drei Fischern, die in Seenot geraten waren, auf einem Felsen an der Westseite der Insel erschienen sein und sie vor den Klippen gewarnt haben. Geweiht durch jenes Ereignis, war es der Anlass, um auf den Felsen ein Kloster zu bauen. Doch über jene Zeit gibt es nur einen einzigen schriftlichen Bericht aus dem 14. Jahrhundert. Die heilige Keyne, soll Anfang des sechsten Jahrhunderts ihren Neffen, den heiligen Cadoc, auf dem St. Michaels Mount besucht haben. In jener Geschichte wird der ursprüngliche Name des Berges mit Dinsol (deutsch: Sonnenfestung – sol : Sonne, din: Festung) angegeben und mit einem Sonnenkult in Verbindung gebracht. Damit wäre die Insel bereits vor der Christianisierung ein heiliger Ort paganer Kulturen gewesen.

Pilgerort

Nach der Eroberung Englands durch die Normannen wurde das Kloster den Benediktinermönchen von Mont Saint Michel in Frankreich übertragen. Mit seinem Neubau wurde 1135 im Auftrag des Abtes Bernard Le Bec von Mont-Saint-Michel begonnen. 1144 wurde es von Robert I, dem Bischof von Exeter, eingeweiht. Und so entwickelte sich die Gezeiteninsel während des Mittelalters von einem Handelshafen zu einem bedeutsamen Pilgerort. Von Papst Gregor VIII erhielt er 1187 das Privileg, allen Pilgern, die ihn mit Opfergaben besuchten, den Erlass von einem Drittel ihrer Buße zu gewähren, eine Begünstigung, die bis zum heutigen Tag nie zurückgezogen wurde.

Erschütterungen

Doch es gab auch ein „9/11“, das den Ort erschütterte. In den Annalen von Waverley, einem wichtigen mittelalterlichen Quelldokument, wird über ein Erdbeben auf St Michael’s Mount berichtet. Vermutlich handelt es sich um das gleiche starke Erdbeben, das am 11. September 1275 die St. Michael’s Church in Glastonbury und viele andere Gebäude zerstörte.

500 Jahre später, am 1. November 1755, wurde durch das große Erdbeben von Lissabon ein Tsunami ausgelöst, der mit einer drei Meter hohen Flutwelle den Mount’s Bay erreichte. Sie verursachte große Schäden im Hafen von St. Michael’s Mount und an der Küste rund um die Bucht.

Das Beben war so stark, dass es auch den Glauben an Gott erschütterte. Wie konnte ein allmächtiger und gütiger Gott ein so gewaltiges Unglück zulassen? Wieso breitete es sich gerade von Lissabon aus, der Hauptstadt eines streng katholischen Landes? Warum gerade an Allerheiligen? Und warum wurde ausgerechnet das Rotlichtviertel in Lissabon verschont, während zahlreiche Kirchen zerstört wurden? Selbst Gelehrte wie Voltaire, Kant und Lessing verzweifelten an jenen Fragen.

Festung und Schloss

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Insel und sie wechselte häufig ihren Besitzer. 1640 wurde sie an Sir Francis Basset verkauft, der sie während des Bürgerkriegs für die Krone befestigte und verteidigte. Nach seinem Tod kapitulierte sein Bruder Arthur, um unnötigen Blutverlust zu vermeiden. Er übergab die Insel an die parlamentarische Arme, deren Kapitän John St Aubyn 1647 zum Gouverneur der Insel ernannt wurde. Jener erwarb sie 1659 von Sir Francis Bassets Sohn. Seitdem ist sie im Besitz der Familie St Aubyn.

Besucher-Attraktion

1954 wurde sie von John Lord St. Levan zusammen mit einer Stiftung für die Instandhaltung der Anlage in einer Schenkung an den National Trust übertragen. Einen Teil des Gartens und des Schlosses bewohnt die Familie seitdem in Pacht. Sie hat eine Laufzeit von 999 Jahre und ist verbunden mit einer Lizenz für das Geschäft mit den Besuchern. Mittlerweile zählt die Insel etwa 300.000 Besuchern pro Jahr, von denen die meisten im Sommer kommen.