Letzte Änderung 7. September 2024
Auf Seeelefanten war ich vorbereitet. Eine Herde Zebras hatte ich nicht erwartet. Während ich an ihnen vorbeifahre, galoppieren sie einen Hügel hinauf. Der Verkehr hinter mir erlaubt kein Anhalten auf dem schmalen Highway 1. Schon ist es zu spät, um sie mit der Kamera festzuhalten. Die Zebras verschwinden hinter dem Hügel und ich folge weiter den Schildern zum Besucherzentrum des Hearst Castle.

Foto: Wikimedia Commons – 2016
Alterssitz mit mehr Komfort

Im Alter von 56 Jahren fasste der Medienmogul William Randolph Hearst (1863-1951) den Entschluss, sich auf einer Anhöhe der Santa Lucia Mountains oberhalb von San Simeon einen außergewöhnlichen Alterssitz zu gönnen.
Ich möchte etwas auf dem Hügel von San Simeon bauen. Ich bin es leid, dort hochzulaufen und zu zelten. Ich werde ein wenig zu alt dafür. Ich hätte gerne etwas Komfortableres.
William Randolph Hearst (1863-1951)
Mit seinen Eltern hatte der junge William hier auf einer rustikalen Ranch in den Bergen regelmäßig die Ferien verbracht und kampiert. Als junger Mann war er oft der Stadt entflohen und hatte mit Familie und Freunden in komfortablen Zelten gewohnt.
Für den Bau des Anwesens, das er La Cuesta Encantada [spanisch: der verwunschene Abhang] nannte, holte sich Hearst 1919 Unterstützung von der ehrgeizigen und damals bereits bekannten Architektin Julia Morgan (1872-1957) aus San Francisco, die schon Bauprojekte für seine Mutter durchgeführt hatte. Mit ihrer Hilfe wurde aus Camp Hill schließlich Enchanted Hill. Das 20.000 Hektar große Ranchland hatte Hearst von seiner Mutter geerbt. Durch weitere Zukäufe war das Gelände schon bald auf das Fünffache angewachsen. Die Arbeiten am Zauberberg dauerten 28 Jahre und endeten erst 1937, als Hearst das Geld ausging.
Nach heutigen Maßstäben verbaute William Hearst etwa eine halbe Milliarde Dollar in das Anwesen mit über 150 Räumen. Die terrassenförmig angelegten Gärten erstrecken sich über 50 Hektar. Das Areal umfasste einst Tennisplätze, ein Freibad, ein Hallenbad, einen Flugplatz und den größten Privatzoo der Welt. Der Parkplatz des Besucherzentrums ist von gleicher Weitläufigkeit und ich mache mir Notizen, um meinen Wagen später wiederzufinden.

Es werden vier geführte Touren angeboten. Die Grand Tour wird denen empfohlen, die das erste Mal hierherkommen. Ich entscheide mich für die Cottages & Kitchen Tour, die durch den Weinkeller, die Wohnräume der Ferienhäuser, und die Küche führt, denn ich möchte erfahren, wie der Gastgeber und seine Gäste ihren Alltag verbrachten.
In den 20er und 30er Jahren war das Hearst Castle ein Treffpunkt für die Stars aus Hollywood. Ich möchte wissen, wie sie hier gelebt haben. Wie haben sie gewohnt und geschlafen? Wie haben sie gespeist? Was haben sie getrunken und gegessen? Mein Vergnügen, den Spuren der Größen Hollywoods zu folgen, lasse ich mir 25 Dollar kosten. Das Hearst Castle ist das steingewordene Vermächtnis des Goldrausches und der Regenbogenpresse. Seit einigen Jahrzehnten befindet sich das Anwesen in staatlichen Händen und hat sich als Goldesel unter den amerikanischen Parks erwiesen.
San Simeon Pier


Bis zum Start meiner Führung habe ich noch eine Stunde Zeit, die ich auf dem Pier des Hearst Beach verbringe. Er befindet sich auf der anderen Seite des Highways.
Bevor die Straße 1937 fertiggestellt wurde, war der Pier in der Bucht von San Simeon die Anlegestelle zur Außenwelt. Bis ins 18. Jahrhundert lebten hier Eingeborene. Sie betrieben Landwirtschaft, fingen Fisch und jagten Wild. Hundert Jahre später hatte sich dort ein reger Seehafen entwickelt, von dem handwerkliche und landwirtschaftliche Produkte aus der Region exportiert wurden. Der Umschlagplatz stand Ende des 19. Jahrhunderts in Konkurrenz zu Port San Luis, dessen Bedeutung er aber nie erlangte.
Der Hafen diente als Anlieferstelle für Baumaterialien und Einrichtungsobjekte des Hearst Castle. Am Pier trafen auch die Gäste aus Hollywood ein, wenn sie über das Wochenende zu Besuch kamen. Von hier wurden sie in offenen Limousinen abgeholt, die sie den Berg hinaufbrachten. Und so folge ich dem Weg der Gäste bis zum Besucherzentrum und steige um in einen Bus, der uns weiter bis zum Schloss hochbringt.
Unterwegs passieren wir die verwaisten Gehege des Zoos. In den 30er Jahren begrüßten Löwen, Tiger, Leoparden und Eisbären die ankommenden Besucher mit ihrem Gebrüll. Es wurde nur noch übertönt vom aufgeregten Kreischen der Schimpansen und Orang-Utans. Hüpfende Kängurus, Giraffen, Kamele und tibetische Yaks liefen frei herum und Besuchern über den Weg. Der Zoo war so angelegt, dass man die Tiere in einem natürlichen Umfeld erleben konnte. Als das Geld knapper wurde, waren die Tiere die ersten, die gehen mussten. Übrig geblieben sind die Nachfahren von exotischen Rehen, Hirschen, Bergziegen und eine Herde von etwa 80 Zebras, die den Weideplatz mit Rindern aus der Fleischzucht teilen.
Cottages & Kitchen Tour

Der Bus hält an einer riesigen Treppe, die uns wie in einer Hollywoodrevue zum Vorplatz des Casa Grande aufsteigen lässt, des größten und höchsten Gebäudes auf dem Zauberberg, eine Mischung aus Schloss und Kathedrale. Rosenstauden in rosaroten Farbtönen blühen an den Wegesrändern und verströmen ihren Duft. Dort begrüßt uns Steven, unser Fremdenführer. Er arbeitet als Freiwilliger und ist nicht nur einfach ein Begleiter. In einem umfangreichen Training wurde er als Dozent auf seine Aufgabe vorbereitet und musste eine anspruchsvolle Prüfung bestehen. Er bittet uns, außer den Handläufen an den Treppen nichts anzufassen. Wir sollen dicht zusammenbleiben und die Absperrungen in den Gebäuden nicht übertreten. Das Baden in den Pools sei uns ebenfalls untersagt. Mit einem einstimmigen “Ooooh“ verleihen wir unserer Enttäuschung Ausdruck.
Weinkeller
Zunächst führt Steven uns zu einem nördlichen Seiteneingang des Casa Grande, wo wir über eine enge Treppe in den tief im Berg liegenden Weinkeller hinuntersteigen. Er hat eine Kapazität von 10.000 Flaschen und ist noch heute gut gefüllt.

Hearst selbst machte sich nicht viel aus Wein. Er war eher ein Biertrinker und nur wenig interessiert an Rebensaft. Er verabscheute harte Spirituosen und bevorzugte eher süße Liköre aus Orangen, Minze oder Kräutern, z.B. Cointreau und Bénédictine. Wein und Spirituosen waren ein Zugeständnis an seine Gäste.
Kalifornische Weine hatten damals noch keine große Bedeutung. Die feinsten Weine seiner Zeit stammten aus den französischen Regionen Elsass, Bordeaux und Burgund oder kamen aus Deutschland von Rhein und Mosel. Die Weinflaschen, die wir zu sehen bekommen, wurden in den 30er Jahren abgefüllt und sind bereits geleert. Die uralten Flaschen Whiskey, Wermut und Gin stammen aus dem 19. Jahrhundert. Der Rum von 1876 wurde in Santiago de Cuba in einer Destillerie produziert, unter deren Blechdach damals noch Fledermäuse hausten.
Die Prohibition von 1920 bis 1933 verbot in den USA den Verkauf und Transport von alkoholischen Getränken. Hearst ließ deshalb den Weinkeller wie einen Tresorraum mit Eisentüren verriegeln. Die einzige Schlüsselgewalt hatte der Hausherr, und jede Entnahme wurde von ihm kontrolliert. Aber das Verbot hielt ihn nicht davon ab, seinen Gästen Alkohol anzubieten. Hearst war ein Gegner der Prohibition und vertrat einen Standpunkt der Mäßigung, den seine Presse in die Öffentlichkeit trug.
Als die Hearst-Familie das Anwesen 1958 an die kalifornischen Parkbehörden übergab, behielten sie sich das Recht vor, dort weiterhin Bankette auszutragen und Partys zu feiern. Die Flaschen des Weinkellers verblieben in ihrem Besitz. Auf diese Weise war es ihnen nicht nur gelungen, die Instandhaltung der Gebäude an die Allgemeinheit abzutreten. Sie sorgten auch dafür, dass der gute Wein nicht einfach seinem Verderben ausgesetzt war. Dem Interesse der Öffentlichkeit wurde entsprochen, in dem man die geleerten Flaschen zur Schau stellte.
Angeführt von Steven verlässt unsere kleine Reisegruppe den Keller. Aus der kühlen, dunklen Tiefe des Casa Grande treten wir wieder hinaus auf den Hof, wo wir von grellem Sonnenlicht empfangen werden.
Die Ferienhäuser

Es gibt drei Ferienhäuser auf dem Gelände: La Casa del Mar, La Casa del Monte und La Casa del Sol, das Meeres-, Berg- und Sonnenhaus. Wir werden zuerst durch das Berghaus geführt. Die Schlafzimmer sind angefüllt mit Antiquitäten unterschiedlichster Epochen, sei es aus dem Mittelalter, der Renaissance oder dem Barock.


Was immer dem Hausherrn gefiel, wurde angeschafft. Was immer er auf Reisen sah und auf Auktionen zu ersteigern vermochte, wurde nach San Simeon verschifft. Ein zeitgenössischer Kunsthistoriker lästerte einst: „Er ist gierig wie eine Elster“.
Entwurzeltes Einzelkind neureicher Eltern
Der Hang zum Großen wurde William Hearst bereits von seinem Vater George Hearst (1820-1891) in die Wiege gelegt. Der Goldrausch hatte ihn, einen Bauernsohn aus Missouri, in jungen Jahren nach Kalifornien gelockt. Mit Gold- und Silberminen machte er ein Vermögen. Sein prosperierendes Minengeschäft entwickelte sich zum größten privaten Bergbau-Unternehmen in den Vereinigten Staaten.
Williams Mutter, Phoebe Hearst, war eine gebildete, zierliche kleine Frau, die als Grundschullehrerin arbeitete und aus dem gleichen Dorf stammte wie ihr Mann. 1860, als George Hearst mit 40 Jahren dorthin zurückkehrte, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern, verliebte er sich in die schöne und kluge Achtzehnjährige, die ihm nach San Francisco folgte. Sie heirateten 1862 und im Jahr darauf wurde William Randolph Hearst geboren. Er blieb ihr einziges Kind.
Der kleine William Hearst war ein Einzelkind, wuchs im Überfluss auf und war es gewohnt, dass sich seine Wünsche erfüllten.
Wenn er Kuchen will, dann will er Kuchen und er will ihn sofort. Ich habe bemerkt, dass er den Kuchen nach einer Weile bekommt.
George Hurst über seinen Sohn
George Hurst kannte seinen Sohn, und so setze er seine Frau als Alleinerbin ein.

Phoebe unternahm bereits früh mit ihrem Sohn ausgedehnte Reisen durch Europa und machte ihn vertraut mit der Kunst und Architektur der Alten Welt. Sie widmete sich ganz seiner Erziehung und Fürsorge. Schon in jungen Jahren erwies sich der Knabe als gebildet und eloquent. Infolge der Tätigkeit seines Vaters wechselte die Familie häufig ihren Wohnort. Phoebe Hearst war die uneingeschränkte Bezugsperson ihres Sohnes und der Hügel oberhalb von San Simeon blieb sein einziger Bezugsort. William Hearst war ein entwurzeltes Kind neureicher Eltern. Er hatte Probleme, mit Geld Haus zu halten, Kompromisse zu schließen und Autoritäten anzuerkennen. Obwohl er während seines Studiums eine defizitäre Studentenzeitung in Harvard durch Anzeigenverkäufe und Werbekampagnen in die Gewinnzone brachte und ihre Auflage vervierfachte, wurde er von der Hochschule verwiesen, da er im großen Umfang Saufgelage im Universitätsumfeld organisierte und finanzierte.
Er war wenig interessiert am Minengeschäft seines Vaters. Stattdessen transformierte er die Millionen, die aus den Silberminen des Vaters in seine Tasche flossen, in ein Goldgeschäft mit der Boulevardpresse. Der Erfolg mit der Studentenzeitung begründete seine Karriere im Zeitungsgeschäft. Bald darauf übernahm er 1887 die Leitung des San Francisco Examiner, die sein Vater als eine Teilzahlung aus Pokerschulden erhalten haben soll. Vier Jahre später, nach dem Tode seines Vaters, erhielt er die finanziellen Mittel, um sein Medienimperium weiter auszubauen, und wurde dabei von seiner Mutter unterstützt. Bald kaufte er die New Yorker Zeitung Morning Journal und Magazine wie Cosmopolitan, Good Housekeeping und Bazaar, die bis heute gedruckt werden.
Auf dem Gipfel seines Erfolges gehörten ihm 50 Zeitungen, 12 Radiosender und Filmstudios. Fast jeder vierte Amerikaner las ein Blatt von ihm. Als einer der ersten Verleger wagte er es, auf Radio und Fernsehen zu setzen. Mit einem schonungslosen Nachrichtenjournalismus trieb er die Auflage seiner Zeitungen durch Sensationsnachrichten, Bilder und große Überschriften in die Höhe und wurde damit zum Begründer der Regenbogenpresse. Seine Gäste aus Hollywood lieferten ihm die schillernden Geschichten dazu.
Mit seinen Worten: „Sie liefern die Bilder. Ich werde den Krieg liefern.“ wurde er zum Kriegstreiber der Amerikaner in Kuba. Er sympathisierte mit den Nationalsozialisten und wurde 1934 von Hitler empfangen. Eine Artikelserie über Göring musste nach heftigen öffentlichen Protesten wieder zurückgezogen werde. Eine Kehrtwende unternahm die Hearst-Presse erst nach den November-Pogromen im Jahre 1938.
Trotz des Erfolges der Massenmedien kamen die Haupteinnahmen des Hearst-Imperiums weiterhin aus dem Geschäft mit Minen, Wäldern und der Landwirtschaft. Der wirtschaftliche Niedergang begann erst in den 30er Jahren infolge der Großen Depression. In dieser Zeit wurden neue Erntemaschinen und Verfahren entwickelt, um aus Hanf kostengünstig Papier zu gewinnen. Im Vergleich zur Herstellung aus Holz war das nicht nur halb so teuer, sondern auch mit weniger Chemie umweltverträglicher. Außerdem konnte der Grundstoff schneller nachwachsen. Mit Unterstützung des Konzerns DuPont, der an der Chemie verdiente, schürte Hearst mit seinen Medien eine Hetzkampagne gegen den Hanf. Er brachte damit die Droge Marihuana in Verbindung und brandmarkte sie als fremdländische Bedrohung der amerikanischen Volksgesundheit. Politische Unterstützung gab es von Harry J. Anslinger, dem Leiter der staatlichen Behörde für Betäubungsmittel, die bereits 1933 das landesweite Alkoholverbot durchzusetzen hatte. Mit dem Verbot von Hanf im Jahre 1937 hatte die Kampagne ihr Ziel erreicht und Hearst behielt die Vormachtstellung in der Papierproduktion.
Bäume, die ihm näherstanden, genossen dagegen seinen persönlichen Schutz. Zwar mussten seine Eichen weichen, wenn sie einer Baumaßnahme im Wege standen, aber sie wurden aufwendig umgepflanzt. Verschont blieben auch die Wälder auf der privaten Hearst Wyntoon Tree Farm in Nordkalifornien. Hier durfte auch nicht gejagt werden. William Hearst wird nachgesagt, dass ihm Bäume und Tiere in seinem Privatbesitz oft wichtiger waren als Menschen. Seinen Dackel nannte er Gandhi.
In Wyntoon residierte Hearsts Mutter und ließ sich dort – ebenfalls unter Beteiligung von Julia Morgan – ein gotisches Schloss errichten, das nach dem Vorbild von Burgen am Rhein gestaltet wurde. Nach dem Tode ihres Mannes setzte sich Phoebe Hearst vor allem für die Bildung von Mädchen und Frauen ein. Sie gründete den ersten freien Kindergarten in den USA, setzte sich für ein Programm zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen ein, finanzierte ein Stipendien-Programm für Studentinnen an der Universität von Berkeley und wurde an der University of California zur ersten weiblichen Dekanin gewählt. Später unterstütze sie die Frauenrechtsbewegung und setzte sich für den Erhalt der Mammutbäume in der Save the Redwoods League ein. Der Redwood Park im Big Basin am Rande des Silicon Valley ist durch ihre finanzielle Förderung ermöglicht worden.
Auch wenn William Hearst mit seinem Plan, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, scheiterte, so könnte man ihn doch als einen Berlusconi oder Trump der 30er Jahre betrachten.
William war wie sein Vater von großer Gestalt und sah für damalige Verhältnisse gut aus. Er hatte ein einnehmendes Auftreten und vermochte die Damen seiner Zeit zu beeindrucken. 1903 heiratete er das 21jährige Chormädchen Millicent aus New York, das ihm in den nächsten zwölf Jahren fünf Söhne gebar. Damit hatte er seine familiären Pflichten erfüllt.
La Casa del Monte – Gästehaus
Steven führt unsere kleine Besuchergruppe weiter durch die Räume des Casa del Monte, in dem die Stars aus Hollywood übernachteten. Zu den illustren Gästen zählten Cary Grant, Clark Gable, Greta Garbo, Bing Crosby, Joan Crawford, Gary Cooper, Jean Harlow, Erroll Flynn und Barbara Stanwyck, die Komiker Buster Keaton, Charly Chaplin wie auch die Marx Brothers.
Die gesamte Anlage umfasst 56 Schlafzimmer und 61 Badezimmer. Kein Gast sollte einem anderen beim Morgenbad oder beim Zähneputzen begegnen.

Damenbesuch in Herrenzimmern war unerwünscht, obwohl Hearst keine Scheu davor hatte, sich mit seiner Geliebten öffentlich zu zeigen. Aus seinen Medien verbannte er jegliche Sexualität und achtete auch in seinem Schloss darauf, dass es nicht allzu bunt herging. Wer es einmal zu sehr übertrieben hatte, dem wurden die Koffer vor die Tür gestellt und der durfte nicht mehr wieder kommen. William Hearst verstand keinen Spaß.
Um ein Haar hätte es auch Cary Grant erwischt, einen häufigen Gast, der immer zu Scherzen aufgelegt war. Eines Tages nahm er sich ein kleines Flugzeug und drehte mit Will Hearst Jr. einige Runden um den Berg. Das Dach des Hangars bombardierten sie mit Mehlsäcken. Als Grant wieder zurückkam, standen seine Koffer gepackt vor der Tür.
Marion Davies
Im Alter von 50 Jahren musste William Hearst so etwas wie eine Midlife-Crisis befallen haben und er umwarb in New York die 16-jährige Schauspielerin und Komödiantin Marion Davies (1897-1961), die 30 Jahre lang bis zu seinem Tode seine Geliebte blieb. Öffentlich wurde immer vertreten, dass er sie erst mit 18 kennenlernte. Von 1919 an führte er mit ihr ein öffentliches Leben, und nach Jahren der Demütigung trennte sich seine Frau Mitte der 20er Jahre von ihm. Hearst förderte Marions Karriere, finanzierte ihre Filme und machte Werbung für sie in seinen Medien. Sie wirkte in 45 Filmen mit und war zu ihrer Zeit die am besten bezahlte Schauspielerin Hollywoods.
Ursprünglich hatte Hearst nur einen Ferienbungalow geplant, wo er seine Zeit mit Marion verbringen wollte. Doch sie liebte die Gesellschaft. Und so wurde das Anwesen auf dem Zauberberg erweitert zu einem opulenten Treffpunkt für die Größen des Filmgeschäfts.
Marion Davies war eine der wunderbarsten Komikerinnen in der Geschichte des Bildschirms. Sie wäre auch ohne Hearst ein Star geworden.
Orson Welles (1915-1985)
The Cat’s Meow
Wer jedoch mit Marion Davies anbandelte, musste um sein Leben fürchten. So soll es Charlie Chaplin auf einer Bootsparty ergangen sein. Während die Festgesellschaft vor der Küste dümpelt, schießt der Gastgeber auf ihn, aber ein anderer wird tödlich getroffen. Peter Bogdanovich erzählt diese Geschichte in seinem Film „The Cat’s Meow“ [deutsch: Das Miauen der Katze] aus dem Jahr 2001.
Der Film vermischt Wahrheit mit Fiktion. Die wahre Geschichte dahinter aus dem Jahr 1924 blieb verborgen. Regisseur Thomas Harper Ince war es, der nach einem Fest auf der Hearst Yacht verstorben war. Die Morgenzeitungen schrieben noch, es wäre Mord. Die Abendzeitungen schwiegen über den Vorfall. Hearsts Zeitungen verbreiteten später, er sei an einer akuten Magenverstimmung gestorben.
Citizen Kane
Beigetragen zu den Legenden um William Hearst hat auch Orson Welles, der 1941 in Citizen Kane das Leben eines Medien-Tycoons verfilmte. Die Ähnlichkeiten zwischen Kane und Hearst sind offensichtlich.
Mank
In der Filmbiografie „Mank“ über den deutsch-jüdischen Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz von David Fincher aus dem Jahr 2020 geht es um die Entstehung des Drehbuchs zum Film „Citizen Kane“, für das Mankiewicz und Welles zu gleichen Teilen 1942 den Oskar erhielten. Einige Schlüsselszenen des Films spielen auf dem Hearst Castle mit Mankiewicz als regelmäßigen Gast von Marion Davies und W. R. Hearst. Besonders eindrucksvoll ist die filmische Rekonstruktion des Privatzoos.
La Casa del Mar – Gastgeberhaus

Unsere Gruppe verlässt das Casa del Monte und wir gehen in das benachbarte Casa del Mar, in dem der Gastgeber mit seiner Mätresse und seinen Söhnen wohnte. Der Stuck an der Decke des Wohnzimmers ist barock und vergoldet. Er umrahmt Ölbilder mit Motiven aus der Bibel. Ein Wintergarten erweitert den Wohnbereich und scheint über dem Hügel zu schweben. Durch die Fenster blickt man den Hang hinunter bis auf die Küste und weit aufs Meer hinaus. Eine großzügige Polstergarnitur bietet reichlich Platz für den Familienclan. Edle Bilder alter Meister hängen an den Wänden.

Auf einem Sideboard (links hinten im Bild) thront eine Bärenstatue, das Wappentier Kaliforniens. Auf der anderen Seite steht ein Schreibtisch mit einem antiken Telefon (rechts hinten im Bild). Stehlampen, geschirmt mit kostbaren Stoffen, stehen zu beiden Seiten. Hier arbeitete William Hearst bis spät in die Nacht, um die Herausgabe seiner Zeitungen zu kontrollieren und seine Börsengeschäfte in New York vorzubereiten.

Bis 1947 wohnte er in seinem Schloss. Er ließ am Ende seine Schlafgemächer so umbauen, dass er von einer Krankenschwester betreut werden konnte. Hearst starb 1951 in Beverly Hills an einem Herzinfarkt. San Simeon war zu abgelegen für einen kranken Alten, der medizinisch versorgt werden musste. Der Zauberberg, der ohnehin nie ganz fertig wurde, konnte ihn nicht mehr am Leben erhalten.
Ich mache noch Fotos in den Räumen und muss zusehen, nicht den Anschluss an die Gruppe zu verlieren. Zwei weitere Angestellte des Parks sind mittlerweile erschienen und bedeuten mir, das Haus zu verlassen.

Die Küche
Ich eile über den Platz zurück zum Casa Grande, wo wir über die Lieferanten-Einfahrt in die großräumige Küche gelangen. Hier wurde das Essen für die Gäste zubereitet und angerichtet. Im Hauptraum der Küche befindet sich eine riesige Tafel mit einer Kalt- und einer Wärmezone, auf der die Teller angerichtet wurden, bevor man sie im Speisesaal servierte.

William Hearst scheute vor keinem Stilbruch zurück. Der Speisesaal ist ein riesiger langgestreckter Saal, groß genug für drei Fußballmannschaften und vollgehängt mit antikem Silber. Die Bühnenbildner von Warner Bros. waren sogar hier gewesen und hatten nach diesem Vorbild den Speisesaal in Hogwarts gebaut.
Man aß mit gewöhnlichem Besteck und benutzte Papierservietten. Auf dem Tisch standen Flaschen mit Senf und Ketchup. Alkohol wurde nur sehr zurückhaltend angeboten. Cocktails wurden verwässert und wer sich mehr als zwei genehmigte, wurde nicht wieder eingeladen.
Der Wein floss wie Leim während der Mahlzeiten.
David Niven (1910-1983), britischer Schauspieler
Pro Person gab es nur ein bis zwei Glas Wein. Marion Davies war Alkoholikerin, das erklärt vielleicht diese Einschränkungen.
Die Teilnahme am Abendessen war verbindlich für alle Gäste. Was sie tagsüber unternahmen, war ihnen überlassen. Die weitläufige Anlage mit Tennisplätzen, Pools und Terrassen bot viel Abwechslung für Unternehmungen aller Art. Ein überdachter Reitweg führte um den Hügel herum. Abends traf man sich wieder an der gemeinsamen Tafel. Hier hatte auch einst Winston Churchill zu Tisch gesessen, und Charles Lindbergh war Amelia Earhart gegenüber platziert worden. Sie hatte als erste Frau allein den Atlantik überflogen. Die meisten Gäste reisten mit dem Flugzeug an, sobald die Landebahn fertiggestellt worden war. Der Hearst Airport lag früher dort, wo sich heute das Besucherzentrum befindet.
Wie man dem folgenden Menü entnehmen kann, war das Essen eher rustikal. Hearst hatte sich sein Schloss immer als Ranch-Residenz vorgestellt. Gemüse, Obst und Fleisch stammten von der eigenen Farm.
Menü – 28. November 1945
La Cuesta Encantada, San Simeon, California
Mittagessen
Salat
Spare Ribs – Maisbrei
Feines Kräuter-Omelette
Gebäck, Eis
Abendessen
Linsensuppe
Braten vom Edelfasan
Semmelbrösel Brotsauce
Kartoffelpüree
Butterbohnen
Aprikosen-Törtchen
Geisterkomödie
Schwarze, britische Filmkomödie aus dem Jahr 1944
mit Rex Harrison und Constance Cummings
Wochenschau
Eröffnung der Nürnberger Prozesse
United Artists – MGM Exchange
Frühstück 9:00 bis 12:00
Mittagessen 14:00
Abendessen 21:00
(aus: pbs.org/food)
Das Essen war mittelalterlich und wurde schlecht serviert. […] Der Mosel war hervorragend.
Ludwig Bemelmans (1898-1962), Autor und Gourmet
Nach der Abendveranstaltung verschwand Hearst oft in der Küche und schnappte sich einen kalten Snack mit Fleisch oder Käse aus einem der modernen Kühlschränke.

Mit Stolz bereitete er von Zeit zu Zeit selbst eine Kleinigkeit zu für Neuankömmlinge. Anschließend stand Hearst mit seinen Gästen an der gekühlten Zapfanlage, wo sie an ihren Käseschnittchen knabberten, und Bier schlürften, das vom Hausherrn persönlich gezapft wurde.

Hearsts Käseschnittchen
Zutaten (6 Personen)
1 Esslöffel ungesalzene Butter
450 g geriebener Cheddar-Käse
0,15 Liter zimmerwarmes Bier
1 Teelöffel Senf
1 Teelöffel Worcestershiresauce
1/4 Teelöffel Paprika
1 Messerspitze Cayennepfeffer
1 Ei
Kekse oder Toast
Frischer Schnittlauch
Zubereitung (5 Minuten)
Erwärmen Sie die Butter und den geriebenen Käse unter Rühren in einem Rechaud über siedendem Wasser oder in einem doppelwandigen Topf. Rühren Sie mit einem Schneebesen das Bier in die flüssige Masse. Wenn Sie auf die Goldsucher-Vergangenheit von George Hearst anspielen möchten, verwenden Sie z.B. Becks Gold, Sachsengold Landbier oder Braugold 1888.
Fügen Sie die Gewürze hinzu. Schlagen Sie ein Ei in eine kleine Schüssel. Tröpfeln Sie langsam das verrührte Ei in den heißen Käse. Dabei schlagen Sie die Eimasse beständig mit einem Schneebesen, um sie anzuwärmen ohne dass sie stockt oder flockt. Wenn das Ei vollständig eingearbeitet ist, rühren Sie weiter, bis die Masse glatt und erhitzt ist.
Servieren Sie die Käsesauce sofort über Kekse oder Toast. Ein knuspriges französisches Weißbrot eignet sich auch bestens. Man kann die Käseschnittchen auch mit frischem Schnittlauch garnieren. Wenn er auch nicht zum ursprünglichen Rezept gehörte, so verfeinert er doch den Geschmack und spricht das Auge an,
(nach: The Enchanted Hill Cookbook)



Mit dem Besuch der Küche ist die geführte Tour beendet und unsere Gruppe bedankt sich bei Steven mit einem Applaus. Den restlichen Tag können wir die Anlage allein weiter erkunden.
Die Pools
Ich gehe zum 32 Meter langen Neptun-Pool. Es ist im Stil der griechischen Antike aus grünem und weißem Marmor gebaut. Putten aus weißem Marmor stehen am Seitenrand, überdachte Säulengänge spenden Schatten und laden mit Liegen zum Ausruhen ein. An einem Wochenende im August werden die Tourenführer und Angestellten mit ihren Partnern und Kindern zu einer Pool-Party eingeladen und dürfen hier baden. Und natürlich nutzt die Hearst Familie die Schwimmbäder für ihre Sommerfeste. Doch es finden sich auch andere illustre Gäste hier ein. Die Nachfolger der Hollywood Stars von gestern sind die Schwarzeneggers von heute. Hier veranstaltete Maria Shriver Benefiz-Partys, als sie noch Erste Dame im Staat Kalifornien war. Die ersten Jahre über brauchte sie nichts an die Parkbehörden zahlen. Der Zauberberg ist auch ein beliebter Ort für private Hochzeitsgesellschaften, natürlich gegen Gebühren, versteht sich.


Meine letzte Station ist das Römische Hallenbad mit blauen und goldenen Murano-Fliesen. In der glatten Wasseroberfläche des Pools spiegeln sich die farbenfroh gestalteten Wände. Wie gerne würde ich hineinspringen und am Ende dieser Tour ein Erfrischungsbad nehmen! Doch am Hintereingang des Bades wartet bereits ein Bus, der mich wieder zurück zum Parkplatz bringt.



Als ich mit dem Auto weiterfahre, ist von den Zebras nichts mehr zu sehen. Es sind wilde Tiere, die sich nicht an Zäune halten und keine Grenzen kennen. Gelegentlich fliehen sie vom Hearst-Gelände und mischen die Rinder und Pferde auf den Weiden der Nachbarn auf. Da wird das eine oder andere Zebra auch mal abgeschossen.
Etwa sieben Kilometer nördlich halte ich in Piedras Blancas. Wie erwartet lagert dort eine Herde von Seeelefanten am Strand.
